Thursday, May 16, 2013

September 30, 2005--request for letters to the editor (in German)

 


I received this article from a friend. Those who read German, please respond! (Even if you write back in English!)

--Sheila


Mit der Bitte um möglichst zahlreiche Leserbriefe

grüßt Euch

J. G.


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von:
An:
Gesendet: Donnerstag, 29. September 2005 15:29
Betreff: [SPAM?]: Rheinischer Merkur: Privatunterricht




oder direkt an
leserbrief@merkur.de Rheinischer Merkur Nr. 39, 29.09.2005
http://www.rheinischer-merkur.de/index.php?id=7772
Datum: 29.09.2005 PRIVATUNTERRICHT
Schüler allein zu Haus
Immer mehr Eltern machen sich strafbar. Sie umgehen die allgemeine Schulpflicht CHRISTIAN ENDERS "Nichts hat mein Leben so sehr geprägt wie diese Schule“, sagt Iris Sommer. Die 36-Jährige erinnert sich: Als sie elf Jahre alt war, nahm der Vater sie eines Tages beiseite und teilte ihr mit, dass sie nach den Sommerferien nicht mehr auf eine öffentliche Schule gehen müsse, weil der Unterricht nur noch zu Hause stattfinden würde. „Ich habe geheult“, erinnert sie sich. Dass Haus- oder Heimschulen in Deutschland nicht erlaubt sind, hat das Mädchen damals zwar geahnt, doch alle in ihrem Umfeld fanden es gut und ganz normal. Man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen, erklärten die Eltern. Für diese Überzeugung ging ihr Vater einmal sogar fünf Tage ins Gefängnis. Heute urteilt Iris: „Im Prinzip war es ein geistiger Missbrauch durch meine Eltern.“ Der Rechtshilfeverein „Schulunterricht zu Hause“ schätzt, dass in Deutschland zwischen 1500 und 3000 Kinder am heimischen Wohnzimmer- oder Küchentisch unterrichtet werden, in der Regel von ihren Eltern oder anderen Verwandten. Geschwister oder Cousins sind meist die einzigen Klassenkameraden. „Ich habe andere Mitschüler immer schrecklich vermisst“, empfindet Iris noch heute. Wenige Ausnahmen Schulflucht ist hierzulande fast immer religiös begründet. Die Eltern nehmen Anstoß an vermeintlich esoterischer Beeinflussung ihrer Kinder etwa durch „Phantasiereisen“, sie lehnen Sexualkundeunterricht ab oder die Evolutionstheorie in Biologie. Manche Eltern nehmen ihr Kind auch aus der öffentlichen Schule, weil es dort nicht angemessen gefördert werde; in der Masse komme ihr besonders leistungsstarkes oder -schwaches, ängstliches, lebhaftes oder behindertes Kind zu kurz. Solche Eltern handeln gegen das Gesetz. Die staatliche Schulpflicht gehört zu den wichtigsten bildungs- und sozialpolitischen Errungenschaften der modernen Gesellschaft. Um Chancengleichheit für Kinder der niederen sozialen Schichten herzustellen, führte die Weimarer Verfassung von 1919 die allgemeine Schulpflicht ein. Die Nationalsozialisten ergänzten sie um Zwangsmittel. Nach 1945 wurden Schulpflicht und Sanktionen in die Schulgesetze aller Bundesländer aufgenommen. Bei Verstößen bewerten die Gerichte in der Regel die Schulpflicht höher als das Erziehungsrecht beziehungsweise die Glaubensfreiheit der Eltern. Das haben soeben wieder zwei Elternpaare aus Paderborn erfahren. Anfang September bekräftigte das Oberlandesgericht Hamm eine Entscheidung des Amtsgerichts Paderborn, das ihnen das Sorgerecht entzogen hatte. Die Eltern gehören zu den sieben russlanddeutschen Familien, die ihre insgesamt 15 Kinder aus religiösen Gründen nicht in öffentliche Schulen schicken. Bußgeldbescheide und – in einem Fall – Erzwingungshaft blieben ohne Wirkung. Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland kann die Sorgen verstehen. „Pädagogik und Lebensumstände sind bei uns ganz anders als in der russischen Heimat dieser Familien“, erklärt Pastor Friedrich Schneider. Er hält aber die Heimschulbewegung für „kein sinnvolles Modell“, weil zu befürchten ist, dass sich die Kinder noch schwerer in Deutschland einleben werden. Inzwischen überlegen einige Heimschulfamilien, etwa nach Belgien oder Österreich auszuwandern. Nicht nur in den USA, wo „Home Schooling“ eine gängige Alternative zum öffentlichen Schulwesen ist, sondern auch in vielen europäischen Ländern ist Heimunterricht legal. Die deutschen Schulgesetze kennen nur wenige Ausnahmen, beispielsweise für Kinder von fahrenden Schaustellern oder für chronisch kranke Kinder; es gibt aber für sie besondere Einrichtungen wie Zirkusschule und Schule im Krankenhaus. Von der Präsenzpflicht ausgenommen sind selbstverständlich auch deutsche Kinder, die mit ihren Eltern – in der Mehrzahl Diplomaten oder Missionare – im Ausland leben und dort nicht in eine deutsche oder örtliche Schule gehen (können). Derzeit erwerben rund 1300 Mädchen und Jungen das nötige Schulwissen mit den Unterrichtsmaterialien der Deutschen Fernschule in Wetzlar (Grundschule) oder des Instituts für Lernsysteme (ILS) in Hamburg (Sekundarstufe I). Daniel Böhm und seine Geschwister, deren Eltern in Pakistan ein christliches Kinderheim leiten, wurden jahrelang von der Mutter unterrichtet. Die nächste deutsche Schule liegt 1500 Kilometer entfernt, ein US-Internat kam nicht infrage. Der Wissensstand wurde regelmäßig anhand von Klassenarbeiten überprüft, die aus Deutschland geschickt und von Lehrern der Fernschule korrigiert wurden. „Die Schule hat mir fast immer Spaß gemacht und war in unserer Situation damals sicher das Beste für uns“, sagt Geographiestudent Daniel. Allerdings würde eine Schulklasse die soziale Kompetenz besser fördern und den Ehrgeiz stärken. Daniel besuchte nach der 10.Klasse ein Gymnasium in Hessen; die bis dahin erbrachten Leistungen wurden problemlos anerkannt. Vorbild USA? Was Hausschüler in Deutschland pauken, zählt dagegen nicht. Zu Unrecht, sagt Ronald Reichert. Der Bonner Jurist kämpft für die Legalisierung von Hausunterricht. Auch deshalb hat er den Fall eines Ehepaares aus Süddeutschland, das seine Kinder nicht in eine öffentliche Grundschule schicken will, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gebracht. Die Entscheidung steht noch aus. Reichert beruft sich auf Artikel 6 Grundgesetz, wonach die Erziehung der Kinder eine „zuvörderst“ den Eltern obliegende Pflicht ist. Dagegen steht aber Artikel 7 Grundgesetz: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Für Reichert ist klar, dass die Legalisierung von Hausschulen ein Gewinn für die deutsche Bildungslandschaft wäre. Er verweist auf die USA und neue Studien, denen zufolge deutlich mehr Home-Schooler höhere Bildungsabschlüsse erreichen als Absolventen staatlicher Schulen. Das verwundert indes nicht. Das staatliche Schulwesen in den USA ist desolat; viele Lehrer sind schlecht ausgebildet und haben wegen der geringen Bezahlung einen Zweitjob. Die qualitativ weitaus besseren Privatschulen sind für viele Familien zu teuer. Iris konnte nie einen höheren Bildungsabschluss erreichen, ihre Berufsträume nicht erfüllen. „Ich habe aber eine sehr gute Basis bekommen, denn der Frontalunterricht – ein ,Lehrer' für zwei oder maximal fünf ,Schüler' – war sehr fordernd.“ Dennoch, sie vermisste eine Bestätigung von außen, die Kinder brauchen und in der Schule normalerweise auch bekommen: „Ich habe empfunden, dass ich nicht glücklich war. Oft war mir langweilig, denn auch zum Spielen kam niemand.“ Iris musste immer lange Röcke tragen, ihre Haare hochstecken oder zum Zopf flechten. Das ganze Dorf guckte schief. „Mir haben Freunde gefehlt.“ Gerade die Auseinandersetzung mit anderen Schülern sei wichtig für die eigene Identitätsfindung, sagt Jürgen Frank vom Arbeitskreis evangelische Schulen. „In Hausschulen haben die Kinder keine Möglichkeit, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln.“ Iris bestätigt das: „Meine Entwicklung und Selbstfindung habe ich erst mit Mitte zwanzig nachholen können, nachdem ich zu Hause ausgezogen war.“ In dieser Zeit hat sie ihren Glauben neu definiert und sich mit den Überzeugungen der Eltern auseinander gesetzt, die keiner Kirche mehr angehören. Heute ist Iris Mitglied einer Baptisten-Gemeinde, lebt den Glauben bewusst: „Die Hausschulbewegung legt Wert auf eine gewisse Abgrenzung von der Gesellschaft. Jesus Christus hat sich aber nicht von den Menschen distanziert, sondern ist auf sie zugegangen und hat mit ihnen gelebt.“

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